Tags: Virtualisierung, Desktop-Virtualisierung
Das Desktop-Computing ist im Umbruch, noch nie seit der Einführung von grafischen Benutzeroberflächen hat sich dort so viel verändert wie zurzeit. Maßgeblich dafür sind unter anderem verschiedene Varianten der Virtualisierung, leistungsfähigere Server und Netzwerke sowie der zunehmende Einsatz von Deduplizierungstechniken. Damit eröffnen sich zahlreiche Optionen für Client-Konzepte, die über das Modell der zentral gehosteten virtuellen Desktop hinausgehen, wie es von Citrix und VMware propagiert wird.
Die zwei führenden Anbieter in diesem Markt haben es geschafft, dass die meisten Leute Desktop-Virtualisierung bzw. VDI allgemein mit ihrem Ansatz der zentralen Desktops verbinden. Es handelt sich dabei um eine Weiterentwicklung des Server Based Computing (SBC), wie es seit gut 10 Jahren auf Grundlage der Terminaldienste von Windows praktiziert wird. Anstelle eines von mehreren Anwender gemeinsam genutzten Server-Betriebssystems tritt jedoch ein Client-Windows für jeden User.
Erbe des Server Based Computings
Technisch macht sich diese Kontinuität etwa dadurch bemerkbar, dass Connection Broker, die Benutzer mit ihrem Desktop verbinden, im Fall von Citrix und Microsoft eine Weiterentwicklung der schon zuvor existierenden Session Broker sind. Für den Zugriff auf den entfernten Desktop kommen die gleichen Protokolle zum Einsatz, die schon vorher dazu dienten, den lokalen Client mit den entfernten Anwendungen zu verbinden (RDP, ICA).
Grundsätzlich verfolgt das von den großen Herstellern propagierte VDI gleich mehrere Ziele, die sich jedoch teilweise nur schwer und mit großem Aufwand verbinden lassen:
- zentrales Management sowie zentrale Datenhaltung und damit mehr Sicherheit sowie geringere Kosten
- größere Flexibilität als herkömmliche Desktops, die an bestimmte Arbeitsplatz-PCs gebunden sind
- Erschließung zusätzlicher Benutzergruppen jenseits aufgabenorientierter Tätigkeiten
- mit lokalem PC vergleichbares Benutzererlebnis
- Unterstützung der zunehmend mobilen Arbeitskräfte durch Offline-Fähigkeit
Um diesen zum Teil widersprüchlichen Anforderungen zu genügen, haben die Hersteller ein umfangreiches Portfolio an Tools und Techniken entwickelt, die allerdings die Komplexität solcher Lösungen damit die Einstiegsbarrieren erhöhen. Für ein effizientes zentrales Management ist die Virtualisierung von Benutzerprofilen und Anwendungen vorgesehen, für die Offline-Fähigkeit kommt ein Client-Hypervisor hinzu und eigene Hardware-Beschleuniger für Remoting-Protokolle sollen das Benutzererlebnis verbessern.
Kaviza: Shared-Nothing-Architektur für VDI
Das Startup-Unternehmen Kaviza bleibt mit VDI-in-a-Box zwar ebenfalls dem Konzept zentral gehosteter virtueller Desktops treu, versucht aber, die Hürden für den Einstieg niedrig zu halten und somit auch eine Lösung für den Mittelstand anzubieten (siehe dazu unseren Test auf WindowsPro).
In Virtual Appliance gekapselt
Während das laut Burton Group derzeit mächtigste VDI-System aus einem ganzen Bündel von Produkten besteht, die schon für sich relativ komplex sind und aus denen die passende Architektur entwickelt werden soll, liefert Kaviza seine Software als Virtual Appliance für VMware ESX(i) oder seit kurzem für XenServer aus. Sobald dieses gestartet ist, verbindet sich der Administrator damit via Web-Browser und richtet das System mit Hilfe von Wizards ein.
Kein gemeinsames Storage-System erforderlich
Im Unterschied zu den großen Lösungen von Citrix, VMware oder Microsoft benötigt Kaviza keine externes Storage-System (i.a. SAN), sondern benutzt die an den Server angeschlossenen Massenspeicher (Direct Attached Storage). Werden mehrere Server zu einem Verbund zusammengeschlossen, dann können diese ihre Daten zum Zweck der Ausfallsicherheit untereinander synchronisieren. Dedizierte Rechner für das Load Balancing oder den Connection Broker sind nicht vorgesehen, das System wird durch Hinzufügen weiterer Server-Mitglieder erweitert. Kaviza spricht in diesem Zusammenhang von einem Grid, wobei dessen Knoten autark sind und keine Ressourcen teilen (Shared Nothing).
Zusatzprodukte notwendig
Mit diesem Ansatz verspricht der Anbieter, die bei VDI-Lösungen fälligen Einstiegskosten zu reduzieren und ein schnell einsatzfähiges System zu ermöglichen. Allerdings müssen auch bei Kaviza die dem VDI-Konzept inhärenten Anforderungen erfüllt werden, auch wenn der Hersteller dafür keine Lösungen anbietet. Das betrifft etwa das Image-Management, bei dem ein individuelles Abbild für jeden Benutzer vermieden werden soll. Hier kommen wieder Produkte für die Virtualisierung von Anwendungen und Benutzerumgebungen ins Spiel.
Ähnliches gilt für die Offline-Fähigkeit und das Benutzererlebnis beim Zugriff auf den zentralen Desktop. Kaviza unterstützt mehrere Remoting-Protokolle und nach dem kürzlichen Einstieg von Citrix als Investor kam ICA/HDX hinzu, außerdem die schon erwähnte Unterstützung für XenServer. Kaviza steht es damit auch offen, zukünftig XenClient zu verwenden, um ein Arbeiten ohne Verbindung zum Server zu ermöglichen.
Wanova: Virtualisierung ohne Hypervisor
Einen völlig anderen Weg als die bekannten VDI-Anbieter beschreitet das israelische Startup Wanova mit seiner Software Mirage. Obwohl das Unternehmen sein Produkt als "Distributed Desktop Virtualization" bezeichnet, spielt dabei die Virtualisierung von Hardware oder Anwendungen keine Rolle. Der Desktop läuft also nicht in einer VM auf dem Server oder dem lokalen Rechner, vielmehr arbeitet Mirage mit dem physikalischen System.
Wanova verfolgt mit seinem Ansatz ähnliche Ziele wie die etablierten VDI-Anbieter. Offline-Fähigkeit beispielsweise ist aber nicht eine nachträgliche Erweiterung eines zentralistischen Modells, sondern Ausgangspunkt der ganzen Lösung. Der Laptop als das (künftig) meist genutzte Endgerät in Unternehmen bestimmt das Konzept von Wanova.
Lokale Installation nur Cache des zentrales Desktops
Mirage installiert auf jedem Client-Gerät einen Filtertreiber, der alle Veränderungen des Systems registriert, sei es das Anlegen oder Löschen von Dateien oder das Hinzufügen eines Schlüssels in der Registrierdatenbank. Die Software überträgt diese Änderungen an den Server, wobei der Repliziermechanismus durch Deduplizierung und Kompression auch über WAN-Verbindungen effizient arbeiten soll.
Im Konzept von Wanova existiert der eigentliche Desktop im Rechenzentrum ("Centralized Virtual Desktop"), während die lokale Installation als "Cached Copy" gilt. Entsprechend verwaltet der Administrator das zentrale Image, dessen Änderungen an alle betroffenen Endgeräte geschickt werden. Die zentrale Instanz ist insofern ein virtueller Desktop, als er nicht 1:1 ein Abbild der lokalen Installation darstellt. Vielmehr werden dort im Single Instance Store alle Dateien, die mehrere Rechner gemeinsam nutzen, nur einmal abgelegt, etwa System-DLLs von Windows.
Benutzer hat es mit einer herkömmlichen Konfiguration zu tun
Auch die widerstreitenden Anforderungen von zentraler Verwaltung und gutem Benutzererlebnis durch lokale Ausführung von Anwendungen werden nicht erfüllt, indem eine entfernte VM mit einer lokalen VM abgeglichen wird. Der Benutzer hat es immer mit dem ihm bekannten Windows-Rechner zu tun, auf dem er je nach Vorgaben des IT auch eigene Programme installieren oder persönliche Daten speichern könnte.
Das zentrale Management ergänzt den herkömmlichen Windows-Client um wesentliche Features. So kann die komplette Installation eines Laptops im Fall des Verlusts oder bei einem Hardwaredefekt auf einem anderen Gerät in kurzer Zeit wiederhergestellt werden. dabei nutzt es ähnlich wie die Tools zur Applikationsvirtualisierung einen Streaming-Mechanismus, der dafür sorgt, dass Anwender mit dem System schon arbeiten können, bevor alle Daten übertragen sind.
Backups, Snapshots, Dateiversionen
Außerdem speichert das System Snapshots, zu denen der Benutzer bei Bedarf wieder zurückkehren kann. Das betrifft nicht nur die Restaurierung des gesamten Systems, sondern sie erlauben auch die Wiederherstellung bestimmter Versionen einer Datei.
Die derzeit sich im Betatest befindliche Versiion 1.5 soll in der Lage sein, ein System bruchlos von XP auf Windows 7 zu migrieren. Die Software lädt im Hintergrund das Windows-7-Image herunter, während der Benutzer noch mit XP arbeitet. Nach dem Neustart sollte Windows 7 booten, wobei alle Benutzerdaten erhalten bleiben.
Bindung an die Client-Hardware
Mirage-Images enthalten typischerweise das Betriebssystem und die von den meisten Mitarbeitern verwendeten Anwendungen. Es ersetzt daher normalerweise keine Tools zu Softwareverteilung oder Anwendungsvirtualisierung.
Die enge Bindung des Wanova-Konzepts an den (mobilen) PC erweist sich nicht nur als Vorteil beim Benutzererlebnis und der Offline-Fähigkeit, darin liegen auch seine Grenzen für verschiedene Nutzungsszenarien. Während sich zentral gehostete virtuelle Desktops von fast jedem Endgerät mit Internet-Zugang abrufen lassen, sieht Wanova vor, dass die lokale Installation nach den Vorgaben des zentralen Images modifiziert wird. Das ist weder im Internet-Cafe noch auf dem privaten Rechner zu Hause eine realistische Option.
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