Tags: Hyper-V, Hypervisor, Windows 8
Bereits vor einiger Zeit sickerte durch, dass Windows 8 eine angepasste Version von Hyper-V 3.0 enthalten würde. Nun bestätigte Microsoft auf dem Blog Building Windows 8 diesen Sachverhalt und nannte Einzelheiten zum Client-Hypervisor. Im Wesentlichen geht es darum, den veralteten Virtual PC durch eine modernere Virtualisierungstechnik auf Basis eines Typ-1-Hypervisors zu ersetzen. Sie bringt einige wesentliche Fortschritte, aber auch Nachteile, vor allem beim Benutzererlebnis. Der Enthusiasmus, den die Ankündigung in vielen Blogs auslöste, scheint nach den bisherigen Informationen daher nicht gerechtfertigt.
Nach den ersten Meldungen über Hyper-V 3.0 in Windows 8 war vor allem nicht klar, für welche Einsatzgebiete ihn Microsoft vorsehen würde. Immerhin spielen Client-Hypervisor für andere Hersteller wie Citrix oder Mokafive eine wesentliche Rolle bei zentral verwalteten Desktops. So soll XenClient virtuelle Desktops offline-fähig machen und ein Nebeneinander von privatem und Firmen-Desktop im Rahmen von BYOC-Programmen erlauben.
Positionierung für IT-Pros und Programmierer
Aus diesem Grund waren auch Erwartungen berechtigt, dass Microsoft die fehlende Offline-Fähigkeit der Remote Desktop Services mit Hilfe von Hyper-V überwinden würde und zudem die Möglichkeit bieten könnte, anspruchsvolle Multimedia-Anwendungen in lokale VMs auszulagern. Die nun veröffentlichten Informationen zu Hyper-V in Windows 8 stellen indes klar, dass der Client-Hypervisor keine derart strategische Funktion erhält, sondern sich explizit an Admins und Entwickler richtet, damit diese in Testumgebungen mehrere Betriebssysteme parallel ausführen können.
Nachfolge für Virtual PC
Microsoft schreibt Hyper-V in Windows 8 somit eine Rolle zu, die bisher der Virtual PC ausfüllte. Dieser hinkte zuletzt in seiner Entwicklung stark hinter kostenlosen Angeboten wie VirtualBox oder VMware Player nach, ganz zu schweigen von VMware Workstation. Anstatt den Typ-2-Hypervisor aufzumöbeln, entschloss sich Microsoft zum Wechsel auf die im Server verwendete Virtualisierungstechnik. Dieser Schritt ist insofern konsequent, als dort der Virtual Server ebenfalls ausgemustert wurde. Er basierte auf der gleichen Codebasis wie der Virtual PC, beide Produkte wurden seinerzeit von Connectix gekauft.
Vorteile von Hyper-V auf dem Client
Mit der Adaptierung von Hyper-V für den Client erbt dieser gleich mehrere grundlegende Features vom Server, die Virtual PC vermissen lässt. Dazu zählt vor allem die Unterstützung für 64-Bit-Gäste und für Snapshots. Hinzu kommt noch eine Reihe weiterer Vorteile:
- Virtuelle Maschinen lassen sich auf dem Client mit den gleichen Tools verwalten wie auf dem Server. Konkret ist damit vor allem der Hyper-V-Manager gemeint, aber auch der System Center Virtual Machine Manager käme in Frage, auch wenn Microsoft dazu bisher keine Angaben macht.
- Hyper-V für Windows 8 erhält auch das mit Server 2008 R2 eingeführte Dynamic Memory, so dass sich Speicher zwischen den Gästen umverteilen lässt.
- Hyper-V 3.0 unterstützt am Client und am Server ein erweitertes VHD-Format mit der Endung .vhdx, das bis zu 64 TB große virtuelle Festplatten zulässt.
- Wenn der Client die gleichen Integration Components nutzen sollte wie der Server, dann wäre im Gegensatz zum Virtual PC eine gute Portabilität von VMs zwischen Test- und Produktivumgebungen gewährleistet.
- Mit Live Storage Move können Images von virtuellen Maschinen während der Laufzeit auf ein anderes Speichermedium verschoben werden. Damit ließe sich beispielsweise eine VM von einem File-Server starten und dann auf eine lokale Platte übertragen.
Nachteile durch Server-Herkunft von Hyper-V
Die Abstammung von einer Server-Technologie beschert dem Client-Hypervisor nicht nur Fortschritte gegenüber Virtual PC, sondern sie macht sich auch als Erblast bemerkbar. Dies gilt besonders für die am Desktop erwünschte Integration der Gäste sowie die Qualität der Grafik. Immerhin kann Windows 8 immer noch in den Energiesparmodus schalten, nachdem Hyper-V installiert wurde. Bei Windows Server 2008 R2 ist dies ja nicht der Fall. Zu den weiteren Zugeständnissen an den Client zählt die Unterstützung von WLAN-Adaptern bei der Einrichtung von virtuellen Netzwerken.
Einschränkungen beim Benutzerkomfort
Allerdings bleiben einige wesentliche Server-Charakteristika von Hyper-V auch unter Windows 8 erhalten, die hinsichtlich des Benutzerkomforts einen Rückschritt im Vergleich zu einem Typ-2-Hypervisor wie Virtual PC oder gar VMware Workstation bedeuten:
- Das Blog-Posting spricht von einem simplen Mechanismus, mit dem man zwischen VMs umschalten kann. Keine Rede ist also von einer nahtlosen Integration der Gastsysteme in einen primären Desktop, wie sie der XP-Modus oder der VMware Player mit der Unity-Funktion kennt. Beide können Anwendungen des Gasts auf dem Desktop des Hosts darstellen und sie in das Startmenü einblenden.
- Die Darstellung von Gästen erfolgt grundsätzlich über RDP, sei es aus dem Hyper-V-Manager oder über eine Remotedesktop-Verbindung. Zwar unterstützt das Protokoll mittlerweile Aero, DirectX, USB-Umleitung oder Multi-Monitor-Darstellung, aber das Benutzererlebnis bleibt im Vergleich zu einem normalen Windows eingeschränkt. Betroffen davon sind vor allem anspruchsvolle Grafik- und Audio-Anwendungen.
- Der Zugriff via RDP macht sich derzeit dadurch nachteilig bemerkbar, dass kein Drag and Drop zwischen den VMs möglich ist. Außerdem unterstützt es derzeit kein Autofit, bei dem sich der Gast-Desktop automatisch an die Größe des Fensters anpasst oder bei der das Fenster auf eine geänderte Auflösung des Gast-Desktops reagiert. Im Fall des Virtual PC, der eine VM ebenfalls per RDP darstellt, lassen sich nicht einmal die Desktop-Einstellungen ändern, so lange die Integration Components aktiv sind.
Neue Hardware erforderlich
Weitere Einschränkungen von Hyper-V für Windows 8 entspringen nicht direkt seiner Server-Herkunft, sie machen sich aber am Client stärker bemerkbar. Das betrifft etwa die erforderliche Unterstützung für Second Level Address Translation (SLAT), die nur die Nehalem-CPUs von Intel und die Barcelona-Prozessoren von AMD bieten. Während beispielsweise für Server mit Core-2-Chips die aktuelle Hyper-V-Version vorliegt und dort für die Virtualisierung tendenziell neuere und leistungsstärkere Maschinen genutzt werden, kommt eine Vielzahl vorhandener Notebooks und PCs nicht in den Genuss von Hyper-V für Windows 8.
Keine physikalische Windows-Installation
Ein weiteres Manko des Typ-1-Hypervisors besteht darin, dass auch die ursprüngliche Windows-8-Installation nach dem Aktivieren von Hyper-V nicht mehr direkt auf der Hardware läuft, sondern als Root OS in einer virtuellen Maschine. Als solches hat es zwar privilegierten Zugriff auf viele Hardware-Komponenten, aber Microsoft warnt, dass erhöhte Latenzzeiten etwa Echtzeitanwendungen beeinträchtigen könnten.
Hyper-V 3.0 auf Windows 8 verlangt nicht nur eine CPU der neuen Generation, sondern dem Blog-Eintrag zufolge auch eine 64-Bit-Version des Betriebssystems. Aus diesem Hinweis lässt sich folgern, dass Windows 8 auch in einer 32-Bit-Ausführung verfügbar sein wird. Auch wenn es dazu noch keine offiziellen Aussagen gibt, dürfte Microsoft aus diesem Grund den Virtual PC noch beibehalten. Ob dies auch für den XP Modus gilt, ist noch völlig offen.
Virtuelle Unübersichtlichkeit
Bleiben alle Optionen für den parallelen Betrieb von mehreren OS-Installationen aus Windows 7 erhalten, dann käme zu einem Typ-1- und einem Typ-2-Hypervisor noch eine Multiboot-Konfiguration inklusive VHD-Boot hinzu. Ein weiterer Bestandteil dieses Portfolios ist Med-V aus dem MDOP, das auf die Verwaltung von Virtual PC auf produktiv genutzten Computern zugeschnitten ist und deshalb kaum auf Hyper-V angepasst werden dürfte. Geht man zusätzlich davon aus, dass die Ausführung von Windows 8 für ARM-Prozessoren weder Hyper-V noch Virtual PC erhält, dann wirkt das Betriebssystem hinsichtlich der Virtualisierungsmöglichkeiten ziemlich inkonsistent.
Wenige Gründe, um Typ-2-Hypervisor aufzugeben
Wägt man die Vor- und Nachteile von Hyper-V für Windows 8 gegeneinander ab und vergleicht seine Funktionen mit VMware Workstation, dem führenden Typ-2-Hypervisor, dann gibt es nach derzeitigem Kenntnisstand wenige Gründe, Ersteren vorzuziehen. Was Hyper-V an Fortschritten gegenüber Virtual PC bringt, beherrscht die Workstation schon seit mehreren Versionen.
Das gilt auch für Live Storage Move, dessen Funktionen sie mittels vmdk-Streaming über HTTP bietet, sowie in gewissem Rahmen auch für die dynamische Speicherverwaltung. Dafür ist der Typ-2-Virtualisierer bei der Integration von VMs deutlich überlegen und läuft auf einem unmodifizierten, nativen Host-Windows, das alle Anwendungen uneingeschränkt ausführen kann. Schließlich muss sich noch die Stichhaltigkeit des Kostenarguments erweisen, wenn feststeht, ob Hyper-V wirklich eine Gratis-Zugabe zu allen Windows-Editionen ist.
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1 Kommentar
Und hier noch ein paar Nachteile http://www.supportnet.de/faqsthread/2385875