Tags: Office, Collaboration, SharePoint
In dem von Microsoft dominierten Markt positioniert die Firma Ascensio System SIA ihre Anwendungen gleich mehrfach als Alternative zu MS Office. So liegt der Schwerpunkt der Editoren auf der Zusammenarbeit von Teams, Web- und Desktop-Apps bieten die gleichen Funktionen und sie unterliegen einer Open-Source-Lizenz.
Die klassischen Office-Pakete entstanden in der frühen PC-Ära und waren als Werkzeuge für die persönliche Produktivität gedacht. Über die Jahre wuchs ihr Funktionsumfang enorm an, aber seit längerer Zeit kann Microsoft trotz halbjährlicher Updates bei den Kernanwendungen kaum noch nennenswerte Innovationen vorweisen.
In der modernen vernetzten Welt besteht die Zusammenarbeit auf Basis von Microsoft Office im Wesentlichen immer noch darin, Dokumente auf einem freigegebenen Laufwerk zu speichern oder sie per E-Mail auszutauschen. Gerade Letzteres führt bei größeren Teams regelmäßig zu Versionskonflikten.
Neue Generation an Office-Anwendungen
Neue Impulse erhielt der Office-Markt durch Web-Anwendungen wie Google Docs oder Zoho Office. Zum einen laufen sie auf jedem Betriebssystem, das über einen modernen Browser verfügt, zum anderen sind sie stärker auf Team-Arbeit ausgerichtet. Auch Microsoft ist seit geraumer Zeit mit den Office Web Apps in diesem Segment vertreten.
Sowohl Google als auch Microsoft verknüpfen ihr Online-Office unauflöslich mit den eigenen Cloud-Diensten. Eine Anbindung an eine private Cloud ist nicht vorgesehen, so dass man letztlich immer auf Google Drive oder OneDrive arbeitet, auch wenn man die Dokumente dann herunterladen kann.
Nachdem die Benutzer mit diesen Browser-basierten Anwendungen am gleichen Back-end hängen, ergeben sich aus dieser Architektur ganz neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Dazu zählt etwa das gemeinsame Editieren von Dokumenten in Echtzeit oder die Kommunikation per Chat.
Gleichzeitig leiden einige dieser Office-Produkte unter diversen Einschränkungen. So besitzen sie einen geringeren Funktionsumfang als Microsofts ausgewachsene Desktop-Anwendungen und eignen sich daher in der Regel nicht für komplexe Dokumente mit zahlreichen Abbildungen, Querverweisen und Fußnoten, beispielsweise für wissenschaftliche Arbeiten oder Buchmanuskripte.
Eine häufige Schwäche ist zudem die Unterstützung der Dateiformate von Microsoft Office. Diese ist unumgänglich, selbst wenn ein Unternehmen intern vollständig auf ein alternatives Produkt umsteigt, weil sich docx, xlsx oder pptx als das Austauschformat etabliert haben. Daher erhalten alle Organisationen regelmäßig solche Dokumente von Geschäftspartnern oder Kunden.
Offiziell sind alle Hersteller in der Lage, Office Open XML zu lesen und zu schreiben. In der Praxis weicht die Darstellung der Dokumente dann erheblich davon ab, wie sie in MS Office aussehen. Das gilt etwa auch für Desktop-Alternativen wie Libre Office, und auch Microsoft selbst liefert beim Austausch von Dateien zwischen den Desktop- und Web-Apps keine perfekten Ergebnisse.
Ein Wechsel von den Web- auf die Desktop-Anwendungen ist bei Microsoft spätestens dann fällig, wenn User offline arbeiten müssen. Google bietet für diesen Zweck nur eine Extension für den Chrome-Browser an.
Alternatives Konzept von ONLYOFFICE
Diese Anforderungen an moderne Office-Pakete gelten natürlich auch für junge Anbieter wie Ascensio. Bereits bei Bereitstellung der Anwendungen unterscheidet sich ONLYOFFICE von Microsoft oder Google. Die Software ist nicht nur als Online-Service verfügbar, sondern kann auch im eigenen Rechenzentrum installiert werden.
Dort lassen sich die Editoren nicht bloß an ONLYOFFICE Workspace, einen Collaboration-Server des lettischen Herstellers, sondern über Konnektoren an mehrere gängige CMS oder Collaboration-Systeme anbinden. Dazu zählen unter anderem Alfresco, Confluence, OwnCloud, Nextcloud und SharePoint.
Einen anderen Weg als Google und Microsoft geht ONLYOFFICE auch bei der Unterstützung verschiedener Plattformen und damit automatisch auch beim Support für das Offline-Arbeiten. Die drei Anwendungen, nämlich Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationsgrafik, sehen als Web- und als Desktop-App identisch aus und bieten den gleichen Funktionsumfang.
Nachdem die Web-Version auf allen gängigen Client-OS läuft, ist es nur konsequent, dort auch offline-fähige Desktop-Versionen anzubieten. Diese lokal installierten Apps von ONLYOFFICE sehen über alle Plattformen (Windows, macOS und Linux) ebenfalls gleich aus, so dass sich die Benutzer nie umstellen müssen.
Desktop-Editoren
Bei den Desktop-Anwendungen handelt es sich um Standalone-Programme, die sich mit den üblichen Mitteln der jeweiligen Plattform installieren lassen. Im Fall von Windows ist das ein EXE-Installer.
Die Editoren benötigen keine Server-Komponente und lassen sich wie ein herkömmliches Office-Paket rein lokal nutzen. Sie unterliegen der Open-Source-Lizenz AGPL und können hier heruntergeladen werden.
Ihre Stärke spielen die Programme indes erst aus, wenn sie im Backend auf einen Collaboration-Server zugreifen, zum Beispiel auf die erwähnten Nextcloud, Owncloud oder den ONLYOFFICE-Server. Dann stehen Funktionen wie das gemeinsame Bearbeiten von Dokumenten in Echtzeit, Versionierung oder Chats zur Verfügung.
Die Anwender müssen daher nicht von der Desktop- zur Browser-Version wechseln, wie dies etwa bei Microsoft der Fall ist, sobald mehrere Autoren ein Dokument in Teams oder OneDrive editieren möchten. Die Desktop-Programme bieten nämlich alle Collaboration-Funktionen ebenso.
Web-Apps
Die Web-Version eignet sich primär für Umgebungen, wo man keine lokalen Anwendungen installieren möchte, also etwa für BYOD oder Extranets, wo man mit Kunden oder Partnern kooperiert. Sie lässt sich auf Server unter Linux sowie Windows installieren und steht in verschiedenen Formaten bereit, darunter auch als Docker-Container.
Das Setup unter Windows Server setzt voraus, dass man dort vorher Erlang, RabbitMQ und PostgreSQL eingerichtet hat. Für ONLYOFFICE existiert dann wieder ein EXE-Installer.
Die Web-Apps sind ohne Anbindung an einen Server für Storage und Collaboration nicht nutzbar. Zu ihrem Lieferumfang gehört aber ein rudimentärer Example-Service, der es erlaubt, Dokumente zu erstellen bzw. hochzuladen und schließlich wieder lokal abzulegen.
Mobile Apps
Zusätzlich zu den Desktop- und Web-Versionen gibt es noch ONLYOFFICE-Apps für mobile Geräte, und zwar sowohl für Android als auch iOS. Aufgrund ihres Formfaktors sind Smartphones primär für das Konsumieren und nicht das Produzieren von Inhalten ausgelegt.
Dieser Tatsache trägt auch ONLYOFFICE durch einen reduzierten Funktionsumfang Rechnung. Grundsätzlich lassen sich mit den mobilen Apps Dokumente editieren, und zwar auch in Echtzeit zusammen mit anderen Benutzern. Außerdem kann man dort Kommentare einfügen.
Die typische Anwendung der mobilen Apps besteht aber im Prüfen, Korrigieren und Kommentieren von vorhandenen Dokumenten. Fortgeschrittene Formatierungsfunktionen sucht man daher dort vergebens.
Leistungsfähigkeit
Da sich Ascensio entschieden hat, auf allen Plattformen die gleichen Anwendungen anzubieten, stellt sich die Frage, was diese leisten, wenn die Limits der Web-basierten Tools den Funktionsumfang der ganzen Suite bestimmen. So ist es Microsoft bis dato nicht gelungen, die Web Apps mit sämtlichen Funktionen der Desktop-Programme auszustatten.
Geht man eine Check-Liste mit den wichtigsten und am meisten genutzten Funktionen durch, dann wird man feststellen, dass die Textverarbeitung von ONLYOFFICE für normale Ansprüche ausreichend ausgestattet ist. Sie dürfte bei einer Team-Arbeit auch die weitaus wichtigste Anwendung sein.
Grundlegende Features wie Tabellensatz, Einbinden von Grafiken, Diagramme, Kopf- und Fußzeilen oder Fuß- bzw. Endnoten sind erwartungsgemäß vorhanden. Hinzu kommen eine Rechtschreibprüfung für zahlreiche Sprachen, Autokorrektur, Textfelder, Absatzkontrolle, manuelle Seiten- und Abschnittsumbrüche, mehrspaltiges Layout oder ein mathematischer Formelsatz.
Recht schwach fällt die Funktion Suchen und Ersetzen aus, die keine Platzhalter oder regulären Ausdrücke akzeptiert. Die einzige Option bezieht sich auf das Ignorieren von Groß- und Kleinschreibung.
Die Textverarbeitung bietet zudem alle Funktionen aus dem Überprüfen-Menü von Word, so dass man Änderungen nachverfolgen, akzeptieren oder ablehnen sowie Kommentare hinterlassen kann. Die beiden anderen Anwendungen beschränken sich ähnlich wie die Pendants von MS Office hier auf Kommentare.
Die Tabellenkalkulation verfügt ebenfalls über eine ordentliche Grundausstattung, die gängigen Aufgaben genügt. Aber bekanntlich reizen viele Unternehmen die Möglichkeiten von Excel sehr weit aus und entwickeln mit Makros und externen Datenquellen komplexe Anwendungen.
Solchen Ansprüchen wird ONLYOFFICE sicher nicht gerecht und kann für Power-User daher Excel nicht ersetzen. Selbst der Austausch von Dokumenten dürfte in solchen Fällen an seine Grenzen stoßen, weil ONLYOFFICE keine VBA-Makros unterstützt, sondern auf Javascript und eigene API-Aufrufe setzt.
Dateiformate
ONLYOFFICE nutzt Microsofts Office Open XML nicht nur für den Import und Export, sondern als natives Format. Freilich ist das Lesen und Schreiben von .docx, .xlsx oder .pptx alleine noch keine Gewähr dafür, dass die entsprechenden Dokumente auch so dargestellt werden, wie sie in MS Office formatiert wurden.
In dieser Disziplin gibt ONLYOFFICE eine gute Figur ab, soweit sich dies nach dem Test mit einigen Dokumenten sagen lässt. Aber immerhin erfolgte etwa der Import eines ca. 250 Seiten langen Buchmanuskripts sehr zügig, und die Darstellung ließ keine Mängel erkennen.
Das Dokument enthielt unter anderem ein Inhaltsverzeichnis, mehrere Abschnitte und Gliederungsebenen, Fuß- und Kopfzeilen sowie zahlreiche Abbildungen. Klaglos übernimmt ONLYOFFICE auch die Änderungen, wenn diese in Word nachverfolgt wurden, sowie Kommentare der Bearbeiter.
Neben den Dateiformaten von Microsoft unterstützt ONLYOFFICE auch noch jene von OpenOffice, RTF, PDF oder reinen Text. Hinzu kommt noch die Option HTML, aber dahinter verbirgt sich das Web-Format von Microsoft Office.
Dieses strotzt vor Namespaces sowie Direktformatierungen und ist ein Graus für jeden Webmaster. Für die Integration in Content-Management-Systeme und das Publizieren im Web wäre ein Export in ein sauberes HTML sicherlich ein Vorteil.
Erweiterung über Plugins
Der Funktionsumfang von ONLYOFFICE lässt sich mit Hilfe von Plugins erweitern. Zum Lieferumfang des Pakets gehören etwa ein Foto-Editor, ein Tool zum Einbetten von Youtube-Videos, ein Übersetzer, der im Hintergrund Google Translate nutzt, ein Thesaurus und Syntax-Highlighter für diverse Programmiersprachen.
Interessant ist zudem das eingebettete OCR-Tool, das Schrift in Grafiken erkennen und in Text übersetzen kann.
Fazit
ONLYOFFICE umfasst die drei Kernanwendungen Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationsgrafik. Die nativen Applikationen für Windows, macOS und Linux sowie die Web-basierten Apps sehen alle gleich aus und bieten überall dieselben Funktionen.
Sie lassen sich nicht nur als Frontends für Cloud-Services nutzen, sondern auch on-prem installieren und an eine ganze Reihe von CMS-, Wiki- oder Collaboration-Systeme anbinden. Ihre besondere Stärke besteht in den Funktionen zur Zusammenarbeit, insbesondere im gleichzeitigen Editieren von Dokumenten.
Die Unterstützung für Office Open XML macht einen sehr soliden Eindruck, so dass der Austausch von Dokumenten mit MS Office in meisten Fällen reibungslos funktioniert (solange etwa keine VBA-Makros ausgeführt werden müssen).
Dennoch dürfte sich das Paket in den meisten Organisationen nicht als vollständiger Ersatz für Microsoft Office eigenen. Kaufmännische Abteilungen beispielsweise werden Excel kaum zugunsten der Tabellenkalkulation von ONLYOFFICE aufgeben und auch das Marketing wird schwerlich auf PowerPoint, eine seiner zentralen Anwendungen, verzichten.
ONLYOFFICE empfiehlt sich aber als preisgünstige Alternative zu Microsoft für alle Arbeitsplätze, wo eher sporadisch nicht allzu komplexe Dokumente erstellt werden. Die Stärke der Software liegt aber auf projektbezogenen Arbeiten auf Basis von privaten Clouds wie OwnCloud oder Collaboration-Systemen.
Verfügbarkeit
ONLYOFFICE gibt es in mehreren Ausführungen, darunter in der kostenlosen Community Edition. Die Entwicklung erfolgt unter einer Open-Source-Lizenz und der Quellcode ist somit zugänglich. Die Einschränkungen der kostenfreien Variante sind eher gering. Einen Funktionsvergleich zwischen den Editionen findet sich auf dieser Seite, diese lassen sich von dort auch gleich herunterladen.
Auf der Website des Herstellers findet sich zudem eine umfangreiche Dokumentation, welche auch die Integration der Editoren in die verschiedenen Backends beschreibt und Code-Beispiele für Web-Anwendungen umfasst, für die es keine Konnektoren gibt.
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2 Kommentare
In der Praxis gibt es nur Wenige, die die Funktionen von Officepaketen wirklich ausreizen. Ein Online-Office braucht selten mehr als Basisfunktionen. Für das gelegentlich nötige Mehr ist ein lokales Office ohnehin besser geeignet, denn dann geht es in der Regel um die Integration mit anderen Programmen oder die Office-Automatisierung. Und da gibt es Alternativen, LibreOffice bietet viel und kann auch die Microsoft-Formate.
In der Liste der integrationsfähigen Cloud-Speicher-Lösungen vermisse ich https://cryptpad.fr/.
Einen Moment habe ich gedacht, es kommt eine faire und informierte Würdigung vom Microsoft-Liebhaber, schade.
Bei dem Text handelt es sich um eine Review von OnlyOffice, und es würde den Rahmen des Beitrags sprengen, bei dieser Gelegenheit auch noch eine komplette Marktübersicht zu liefern.