Tags: Thin Clients, Desktop-Virtualisierung, Windows Server
Microsoft nutzt das Service Pack 1 (SP1) für Windows 7 und Server 2008 R2, um die vor zwei Jahren gekaufte Calista-Technik unter der Bezeichnung RemoteFX an die Kunden auszuliefern. Was nach der längst fälligen Verbesserung von RDP aussieht, ist eine Abkehr von Microsofts bisheriger Position zu zentralen Desktops. RemoteFX ist eine von mehreren technischen Entwicklungen, die das Server Based Computing begünstigen.
Schlechtes Benutzererlebnis als Hürde
Die größten Akzeptanzprobleme für Terminal-Server und virtuelle Desktops entspringen dem eingeschränkten Benutzererlebnis, vor allem wenn grafikintensive Anwendungen zentral ausgeführt werden. Als Flaschenhals erweisen sich dabei die Remoting-Protokolle, mit denen die Bildschirminhalte vom Server an das Endgerät übertragen werden.
Die meisten bisherigen Ansätze sind Client-orientiert, indem sie die grundlegenden Grafikbefehle (so genannte "Primitives"), also etwa zum Zeichnen einer Linie oder eines Kreises, am Server abfangen und dem Client zur Ausführung übergeben.
Client-lastige Ansätze für zentrale Desktops
Die meisten Versuche, die Darstellungsqualität zu verbessern, liefen darauf hinaus, mehr Aufgaben an den Client zu übertragen. Multimedia Redirection ist ein gängiges Verfahren, wenn der Benutzer beispielsweise Videos anfordert.
Anstatt sie auf dem Server abzuspielen, gehen die Daten an das Endgerät und werden dort vom lokalen Media oder Flash-Player dargestellt. Dieses Verfahren nutzt Citrix mit ICA ebenso wie RDP selbst oder die dafür verfügbaren Erweiterungen wie Wyse TCX.
Thin Clients verlieren Vorteile bei der Administration
Die Auslagerung von Aufgaben an das Frontend verwandelte Thin Clients in den letzten Jahren immer mehr zu hybriden Geräten, halb PC und halb Terminal. Wenn das Frontend unter Windows XP Embedded läuft, dann tendierten die Hersteller immer mehr dazu, die mit dem Betriebssystem ausgelieferten Tools (Media Player, Web Browser) direkt mit Datenströmen für die lokale Ausführung zu versorgen.
Der Nachteil dieses Ansatzes besteht darin, dass Administrationsaufwand für die Endgeräte steigt, weil etwa alle Patches für den IE oder den Media Player eingespielt werden müssen. Damit schwindet einer der beworbenen Hauptvorteile von Thin Clients.
RemoteFX ist strikt Server-zentriert
Mit RemoteFX fährt Microsoft dagegen einen strikt Host-zentrischen Kurs. Der Server bereitet alle grafischen Daten auf (Rendering) und schickt sie als komprimierte Bitmaps an das Endgerät. Dieses muss daher keine Grafikbefehle verstehen, die in Windows-Umgebungen traditionell auf GDI zugeschnitten sind.
Tad Brockway begründet im RDS-Teamblog diese Abkehr vom Windows-Grafiksubsystem damit, dass heute mehrere Medientypen weit verbreitet sind, darunter Flash, DirectX, Silverlight, Aero Glass oder Windows Media. Beim Einsatz von RemoteFX verlieren daher Windows-Clients ihre privilegierte Position. Allerdings stehen bei herkömmlichen PCs weiterhin alle Client-zentrischen Techniken zur Verfügung, die Microsoft in RDP nicht nur beibehalten, sondern weiter ausbauen möchte.
Bessere Netze und CPUs unterstützen den Wandel
Das Konzept der Host-zentrischen Aufbereitung der Grafikausgaben ist alles andere als neu. Allerdings fehlten in der Vergangenheit einige technische Voraussetzungen zu seiner Realisierung. Dazu zählten insbesondere ausreichende Bandbreiten und die Rechenleistung am Server. Die meisten Firmen-LANs sind heutzutage aber ohne weiteres in der Lage, die größeren Datenmengen zu verkraften, die durch das Übertragen der Bitmaps entstehen.
Die massive Zunahme der Prozessorleistung, zuletzt durch die Einführung der Intel Xeon 5500er-Serie ("Nehalem"), spielt den VDI-Anbietern zusätzlich in die Hände. Auch wenn man solche Berechnungen aus Marketing-Gründen für geschönt hält, so bleibt doch die Tatsache, dass mehr als 100 virtuelle Desktops pro Server mit 2 Sockeln möglich und dass die Kosten dafür drastisch gesunken sind.
Codec-Chips lassen alle Clients mitspielen
RemoteFX kann zusätzlich die CPU entlasten, indem es die Rechenleistung der Grafikeinheit (GPU) heranzieht. Der CTO von Teradici argumentiert auf brianmadden.com aber überzeugend, dass dieser Ansatz weder technisch noch ökonomisch sinnvoll ist. Sein Unternehmen vertraut stattdessen auf spezialisierte und preiswerte Chips (Application Specific Integrated Circuit, ASIC), die die Grafikdaten komprimieren und dekomprimieren. Außerdem entwickelte es in Zusammenarbeit mit VMware eine reine Software-Implementierung von PCoIP.
Microsoft sieht diese Art der Hardware-Beschleunigung ebenfalls vor und macht ASIC-Herstellern die Spezifikation für Chips zugänglich, so dass sie solche selbst entwickeln können. Der geringe Preis solcher Kodierer/Dekodierer macht sie für Anbieter von Thin Clients interessant. Aufgrund des Designs von RemoteFX kann jedes Endgerät mit einem solchen Chip unter jedem beliebigen Betriebssystem zum gleichberechtigen Client werden. Das ist eine drastische Veränderung gegenüber dem Client-zentrischen Ansatz, bei dem Microsoft Nicht-Windows-Systeme mit RDP gar nicht berücksichtigt und Linux bei Citrix HDX immer Windows hinterher hinkt.
Durchwachsene Aussichten für Zero Clients
Auch wenn die neue Lizenzregelung Clients unter Windows 7 bevorzugt, so könnten die Anbieter von Thin Clients durch RemoteFX gewinnen. Mit seiner Verfügbarkeit als Teil von Windows Server werden speziell Zero Clients zu einer realistischen Option für viele Arbeitsplätze. Während die Sun Ray bei ihrer Einführung Ende der 90er Jahre von vielen belächelt wurde, springen nun mehrere Hersteller auf diesen Zug auf.
Allerdings steht der Aussicht auf ein größeres Marktvolumen die Einschränkung gegenüber, dass die meisten Anforderungen künftig durch De-facto-Standards abgedeckt sind und die Hersteller von schlanken Endgeräten immer weniger Möglichkeiten haben, der Infrastruktur zusätzlichen Wert hinzuzufügen. Es bleibt abzuwarten, welche Spielräume etwa für Pano Logic oder Teradici auf Dauer bleiben.
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