RHEV 2.2: Der späte Start von Red Hat bei Desktop-Virtualisierung


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    Red Hat Enterprise Virtualization Für Hersteller von Infrastruktur-Software stehen die Zeichen auf Virtualisierung und Cloud. Die Anbieter der beiden wichtigsten Betriebssysteme, Windows und Linux, haben die Bedeutung dieser Trends erst relativ spät erkannt und bemühen sich, den Rückstand gegenüber Pionieren wie VMware oder Amazon aufzuholen. Red Hat macht mit RHEV 2.2 einen weiteren Schritt vorwärts, ist aber noch ein erhebliches Stück von seinem Ziel entfernt.

    Nach dem Kauf von Qumranet und der strategischen Umorientierung von Xen auf KVM brachte Red Hat mit Enterpise Linux 5.4 seine erste KVM-basierte Distribution auf den Markt, bei der insgesamt die Virtualisierungsfunktionen im Vordergrund standen (Unterstützung für I/O-Virtualisierung in Intel VT-d und AMD IOMMU, bessere Abstimmung des Linux-Kernels auf VMs unter VMware, Perl-API für libvirt, etc.).

    Stand-alone-Virtualisierung oder im Paket mit Linux

    Neben der Integration der Virtualisierungsfunktionen in seine Linux-Distribution bietet Red Hat den KVM-Hypervisor zusammen mit dem Enterprise Virtualization Manager (RHEV-M) als reine Virtualisierungslösung unter der Bezeichnung RHEV an. Sie wurde letzte Woche auf dem Red Hat Summit in der Version 2.2 freigegeben. Die dazu passende Linux-Distribution RHEL 6 befindet sich seit April im Betatest.

    Die meisten Neuerungen von Red Hat Enterprise Virtualization 2.2 entsprechen den inkrementellen Verbesserungen eines Minor Release. Dazu zählen die Unterstützung für die neuesten CPUs von Intel und AMD, die Erhöhung des maximalen vRAM pro VM auf 256 GB, erweiterte Importmöglichkeiten von VMware, Xen und OVF sowie zusätzliche Reporting-Funktionen.

    Die wichtigste Veränderungen gegenüber der Vorversion entspringen der weiteren Integration der mit Qumranet erworbenen Software. Während es im ersten Schritt vor allem um den Wechsel von Xen auf das von Qumranet stammende KVM ging, bezieht Red Hat nun auch die zugekaufte VDI-Software Red Hat Enterprise Virtualization for Desktops in RHEV 2.2 ein. Sie setzt auf die gleiche Infrastruktur auf wie jene zur Virtualisierung von Servern (also KVM plus RHEV-M). Hinzu kommen der für VDI nötige Connection Broker sowie ein eigenes Remoting-Protokoll namens SPICE.

    Einstieg in die Desktop-Virtualisierung

    Alle Anbieter haken diese Basisfunktionen auf ihren Markting-Checklisten großzügig ab, aber wichtige Unterschiede liegen hier oft im Detail. Der gerade erschienene ausführliche VDI-Funktionvergleich von PQR zeigt, dass abhängig von den Anforderungen einzelne Produkte möglicherweise ungenügend ausgestattet sind. Red Hat ist in der Gegenüberstellung aufgrund seiner noch unbedeutenden Position nicht vertreten.

    Über die VDI-Basistechnik hinaus bedarf die Desktop-Virtualisierung noch weiterer Bausteine, damit die versprochenen Vorteile dieses Konzepts zum Tragen kommen. Dazu zählen die Ablösung von Anwendungen und Benutzerumgebungen vom Betriebssystem. Während die wesentlichen VDI-Player sich mit den dafür nötigen Tools eingedeckt haben, bietet Red Hat noch keine dieser sehr Windows-spezifischen Lösungen an.

    Keine kostenlose Basisversion

    RHEL 2.2 integriert zwar Server- und Desktop-Virtualisierung, beide Features müssen aber separat erworben werden. Die VDI-Lösung setzt die Server-Virtualisierung von Red Hat zwingend voraus, Hypervisor anderer Anbieter werden nicht unterstützt. Damit fährt das Unternehmen den gleichen Kurs wie VMware, während Citrix oder Quest ihren Kunden hier mehr Wahlmöglichkeiten bieten.

    Wenn Anwender für alle Server, auf denen virtuelle Desktops laufen sollen, die nötigen Lizenzen für Red Hat Enterprise Virtualization for Servers erworben haben (der Preis berechnet sich pro Sockel), können sie anschließend VDI-Lizenzen nur in 25er-Paketen erstehen.

    Während alle großen Anbieter von Virtualisierungs-Software kostenlose Basisversionen anbieten, agiert die Open-Source-Company Red Hat hier wesentlich rigider. Ein derartiges Angebot gibt es weder für die Server- noch die Desktop-Virtualisierung, und selbst der Download von Linux ist an Nutzungs­beschrän­kungen gebunden.

    Windows-Erbe von Qumranet

    MIt RHEV 2.2 ist die Integration von Qumranet noch nicht abgeschlossen. Eine größere Aufgabe besteht noch in der angekündigten Portierung des RHEV-M auf Java. Bis dato setzt das zentrale Management-Werkzeug von Red Hat einen Windows Server 2008 voraus. Die einzige Möglichkeit, Ausfallsicherheit für diese kritische Komponente zu erreichen, besteht derzeit zudem nur in der Einrichtung von Windows Cluster.

    Anlässlich seines Summit gab Red Hat die Öffnung von RHEV-M als Open Source bekannt. Für die geplante Verfügbarkeit einer Java-Version nannte die Firma noch keinen Termin, Beobachter rechnen damit in ca. einem Jahr für die Version 3 von RHEV-M. Auf der Tagesordnung steht dann auch die Unterstützung einer Open-Source-Datenbank, voraussichtlich PostgreSQL.

    Einstieg in das Cloud-Computing

    Zu den weiteren Ankündigungen des Red Hat Summit gehörten die Cloud Foundations. Es handelt sich dabei um ein Softwarepaket, das unter anderem besteht aus Virtualisierungs­komponenten, Linux sowie der Jboss-Middleware. Hinzu kommen Referenzarchitekturen, Beratungsleistungen und Trainingsangebote.

    Mit der Integration seiner Java-Middleware bewegt sich Red Hat mit seinen Cloud-Ambitionen auf den ersten Blick in eine ähnliche Richtung wie VMware mit dem Kauf von Springsource. Allerdings geht es VMware vor allem darum, die Bedeutung von Betriebssystemen zu reduzieren, an ihrer Stelle sollen "Virtualisierungs-bewusste" Frameworks die Aufgabe als Anwendungs­plattformen übernehmen. Das weiterhin nötige Minimal-OS besorgt sich VMware künftig von Novell. Red Hat hingegen kann ähnlich wie Microsoft am Bedeutungsverlust von Betriebssystemen nicht gelegen sein.

    Hosting über Partner

    Wie andere mittelgroße Anbieter (Citrix, VMware) kann Red Hat nicht wie Microsoft oder Google den Globus mit eigenen Rechenzentren überziehen. Daher richten sich die Cloud Foundations an Partner, die auf dieser Grundlage sowohl private als auch öffentliche Clouds aufbauen sollen.

    Die Cloud-Vision eines Anbieters von Infrastruktur-Software kann nicht bei IaaS aufhören, bei dem nur virtuelle Betriebssystem-Instanzen oder Speicherplatz angeboten werden. Vielmehr geht die Entwicklung in Richtung PaaS, das über Betriebssystemen, Datenbanken oder Applikations-Server eine weitere Abstraktionsschicht einzieht. Die Entwickler von Software müssen sich dann nicht mehr um die Bereitstellung einzelner Ressourcen kümmern, vielmehr übernimmt die Plattform das dynamische Provisioning. Microsoft hat dieses Konzept für Windows und Azure zu großen Teilen unter der Bezeichnung AppFabric bereits realisiert.

    Fazit

    Red Hat ist nach dem relativ späten Start die treibende Kraft für Virtualisierung im Linux-Lager. Die Version 2.2 von RHEV repräsentiert mit der Integration von Desktop-Virtualisierung den nächsten Schritt der Einbindung von Qumranet-Technik in das Portfolio von Red Hat. Wenn sich Red Hat damit gleichauf oder gar vor den etablierten Anbietern sieht, dann entspricht das nur dem allgemein großspurigen Marketing im überhitzten Virtualisierungsmarkt. Die Positionierung im Quadranten von Gartner zeigt, dass Red Hat noch einigen Nachholbedarf hat.

    Ähnliches gilt für die Cloud-Aktivitäten, für die das Foundations-Paket nur ein Anfang sein kann. Red Hat wird versuchen, seine Position im Java-Markt zu nutzen, um ein Gegengewicht zu VMware und Springsource zu entwickeln. Dabei wird eine weitere Integration von Betriebssystem, Middleware und Management-Tools erforderlich sein, um einen für das Fabric-Modell notwendigen Automatisierungsgrad zu erreichen.

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    Bild von Wolfgang Sommergut
    Wolfgang Sommergut hat lang­jährige Erfahrung als Fach­autor, Berater und Kon­ferenz­sprecher zu ver­schie­denen Themen der IT. Da­ne­ben war er als System­ad­mi­ni­stra­tor und Con­sultant tätig.
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