Tags: Windows 7, Hyper-V, Desktop-Virtualisierung, Windows Server
Microsoft gab heute bekannt, dass es abweichend von der lange gepflegten Praxis neue Funktionen mit dem SP1 von Windows 7 und Server 2008 R2 ausliefern wird. Es handelt sich dabei um "Dynamic Memory" für Hyper-V sowie RemoteFX, eine Erweiterung für das Remote Desktop Protocol (RDP). Die Auswahl der neuen Features und Dringlichkeit, mit der sie Microsoft in den Markt bringen will, zeigen, dass Redmond auf den Druck von VMware reagieren muss. Die neue Offenheit gegenüber der Desktop-Virtualisierung zeigt sich auch in der geänderten VECD, die nun für Kunden mit Software Assurance kostenlos ist.
Anstatt Service Packs wie üblich nur mit Fehlerkorrekturen auszustatten, gönnt Microsoft seinen Kunden zwei neue Funktionen, die vor allem für die Desktop-Virtualisierung (VDI) von Bedeutung sind. Die erste, nämlich die dynamische Speicherzuteilung in Hyper-V, ist zwar eine generelle Verbesserung des Hypervisors in allen Szenarien. Aber nachdem dieses Feature eine höhere Dichte von virtuellen Maschinen (VMs) pro Host erlaubt, wirkt es sich besonders auf VDI aus, weil dort eine besonders große Zahl an virtuellen PCs benötigt wird.
Ironischerweise eilt es Microsoft nun mit einer Funktion für die Überbuchung von RAM (Memory Overcommit), die es bisher als überflüssig oder gar gefährlich eingestuft hat (siehe Punkt 2). Dynamic Memory entspricht dem, was VMware Memory Ballooning nennt. Es handelt sich dabei um die Möglichkeit, einer virtuellen Maschine zur Laufzeit RAM je nach Bedarf zuzuteilen oder zu entziehen. Bisher muss unter Hyper-V jeder VM eine fixe Menge Arbeitsspeicher zugeteilt werden.
ESX hat weiterhin einen Vorsprung beim Memory-Management
Mit dem SP1 zieht Hyper-V immer noch nicht mit ESX gleich, da VMware zusätzlich mit dem Transparent Page Sharing über eine Deduplizierungstechnik für den Arbeitsspeicher bietet. Damit muss der von VMs gemeinsam genutzte Code nur einmal vorgehalten werden. Der Nutzen dieses Features erweist sich ebenfalls besonders bei VDI, wenn etwa 50 Instanzen von Windows XP auf einem Server laufen und sie sich die System-DLLs teilen können.
Deutliche Verbesserung für RDP
Die zweite Zugabe für das SP1 namens RemoteFX ist eine Erweiterung für RDP, die besonders die Darstellung von grafikintensiven Anwendungen verbessern soll, und zwar sowohl bei virtuellen Desktops als auch bei den Terminaldiensten (die nun Remote Desktop Services (RDS) heißen). Die dafür nötige Technologie hat Microsoft mit dem Kauf der Firma Calista vor zwei Jahren erworben.
RDP machte mit der Version 7.0 zwar wesentliche Fortschritte, aber in den Jahren zuvor entwickelte Microsoft das Protokoll nur zögerlich weiter. Es galt immer als langsam und für Bewegtbilder sowie WAN-Umgebungen als ungeeignet.
Weniger Bedarf an RDP-Erweiterungen von Drittanbietern
Entsprechend bildete sich ein eigener Markt für alternative Protokolle und RDP-Erweiterungen heraus. Zu Letzteren zählen etwa Quest EOP, Wyse TCX oder Ericom Blaze. Diese Extensionen leisten teilweise mehr als RemoteFX (etwa WAN-Optimierung, verbesserte USB-Unterstützung), aber mit der Integration der Calista-Technik wird Microsoft mit der Zeit diese Nische austrocknen - noch dazu, wo der Hersteller noch weitere Ankündigungen für SBC/VDI in Aussicht gestellt hat.
Für Citrix bedeutet der Schritt von Microsoft, dass die Standardausstattung von Windows nun deutlich gegenüber ICA aufschließt. Das Citrix-eigene Protokoll galt aufgrund seiner Überlegenheit immer als wesentliches Verkaufsargument für den Presentation Server bzw. XenApp. In fast masochistischer Weise kündigte Citrix die Integration von RemoteFX in die eigene HDX-Infrastruktur für das Application Delivery als gute Nachricht an. Das Vorgehen erinnert an die Unterstützung von XenApp 6 für App-V, mit dem Citrix den eigenen Funktionen für die Applikations-Virtualisierung das mächtigere Microsoft-Produkt zur Seite stellt.
VECD wird für Kunden mit Software Assurance kostenlos
Die beiden Ankündigungen zeigen, dass Microsoft seine Zurückhaltung gegenüber zentralistischen Desktop-Modellen nach und nach aufgibt. Windows Server 2008 R2 brachte überraschend einen Connection Broker für virtuelle Desktops und das SP1 verbessert die Benutzererfahrung auch ohne Zusatzprodukte von Drittanbietern.
Dazu passt auch, dass Microsoft parallel zum SP1 eine neue Regelung für die Lizenz Virtual Enterprise Centralized Desktop (VECD) bekannt gab. Sie wurde von VDI-Anbietern als eine Art Strafzoll für virtuelle Desktops und Bremse für ihren Markt interpretiert. Die VECD ist künftig für Kunden mit einer Software Assurance für Windows kostenlos, für Anwender von Thin Clients oder anderer Betriebssysteme ändert sich offenbar nichts.
RemoteFX nur für Hyper-V
Im Zuge seiner neuen VDI-Ambitionen möchte Microsoft seinen Hypervisor stärken, indem es RemoteFX exklusiv an Hyper-V koppelt. VMware dürfte davon nicht übermäßig beeindruckt sein, weil es mit PC-over-IP in Zusammenarbeit mit Teradici ein Protokoll ähnlicher Leistungsfähigkeit und Architektur besitzt und als Bestandteil von VMware View vertreibt.
Beide Protokolle sehen die Beschleunigung durch spezifische Hardware sowohl auf dem Client als auch auf dem Server vor. Aufgrund seiner längeren Präsenz im Markt gibt es aber schon eine Reihe von Thin Clients mit einem Chip zur De/Kodierung von PC-over-IP.
Kooperation mit Citrix ändert sich
Anhänger von VDI sehen in Microsofts neuesten Schritten eine gute Nachricht, weil dieses Modell damit den offiziellen Segen des Plattformanbieters erhält. Allerdings dürfte vor allem VMware dazu beigetragen haben. Dem Vernehmen nach verkauft sich View sehr gut und liegt zumindest gleichauf mit XenDesktop. Microsoft möchte keinesfalls einem anderen Hersteller die Kontrolle über die virtuelle Infrastruktur überlassen, auf der Windows läuft.
Microsoft weicht zunehmend von der bisherigen Position ab, dem Partner Citrix die zentralistischen Modelle zu überlassen und die Betriebssysteme für diese Nutzung nur mit Basisfunktionen auszustatten. Offenbar traut Microsoft Citrix nicht zu, VMware ausreichend in Schach halten zu können.
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