Tags: Hyper-V, XP-Modus, VMware Workstation, VirtualBox
Bei Windows 8 wagt Microsoft einen Neubeginn mit seiner Virtualisierungstechnik auf dem Client. Der in Windows 7 mit dem Betriebssystem ausgelieferte Virtual PC weicht nun Hyper-V. Seine wichtigsten Konkurrenten VMware Workstation und VirtualBox sind ausgereifte Produkte, die unlängst in neuen Versionen erschienen sind. Wie schneidet der Neuling im Vergleich zu den etablierten Alternativen ab?
Der Wechsel von Virtual PC, der unter Windows 8 nicht mehr installiert werden kann, zu Hyper-V steht für eine grundlegende Neuausrichtung: Während der Virtual PC ein Host-Betriebssystem voraussetzte, ist Hyper-V ein Bare-Metal-Hypervisor. Diese Variante hat sich am Server mittlerweile als Standard durchgesetzt, weil sie eine bessere Kontrolle über die Hardware ausüben kann. Am Client dagegen ist Microsoft neben Citrix (XenClient) der einzige große Anbieter, der auf diese Technik setzt.
Portierung des Server-Hypervisors
Windows 8 Hyper-V basiert auf dem gleichen Code wie sein Gegenstück in Windows Server 2012, bietet aber nicht alle seine Features. So mangelt es ihm am Support für Live Migration oder Hyper-V Replica. Von der Server-Technik hat der Client-Hypervisor jedoch die hohe Skalierbarkeit geerbt, so dass er bei der maximal möglichen Ressourcen-Ausstattung von VMs die VMware Workstation deutlich übertrifft. Allerdings liegt das nicht an der Ausführung als Bare-Metal-Hypervisor, wie das ebenbürtige Abschneiden von VirtualBox zeigt.
Hyper-V macht Abstriche bei der Usability
In der Regel gibt es jedoch auf dem Client keinen Bedarf an so genannten Monster-VMs, so dass die entsprechenden Zahlen sich gut in Vergleichstabellen machen, aber in der Praxis wenig Bedeutung haben.
Dagegen wirkt sich die Portierung der Server-Technologie auf den Client nachteilig auf den Benutzerkomfort aus. Dies gilt besonders für die Integration der Gäste in die Instanz von Windows 8, die in der Parent Partition läuft. In dieser Hinsicht bedeutet die Umstellung von Virtual PC auf Hyper-V einen Rückschritt und eine klare Unterlegenheit gegenüber VMware Workstation und VirtualBox.
Während man auf dem Server eher selten auf die GUI von Gastsystemen zugreifen muss und dafür eine RDP-Verbindung ausreicht, laufen in den VMs am Client häufig ebenfalls Client-Betriebssysteme. Hier gehören die Unterstützung für Drag and Drop oder die nahtlose Integration von Anwendungen der virtuellen Maschine in das Host-System zum Stand der Technik. Bei diesen Komfortfunktionen macht Windows 8 Hyper-V keine gute Figur.
IT-Pros und Entwickler als Zielgruppe
Aus diesem Grund eignet sich Hyper-V nicht für Endanwender, um entweder inkompatible Altanwendungen in einer XP-VM laufen zu lassen oder um einen privaten und einen geschäftlichen Desktop parallel auszuführen, wie dies Citrix mit XenClient propagiert. Diese beiden Anwendungen eines Client-Hypervisors haben in der Praxis aber nur geringe Bedeutung, so dass sich Hyper-V wie seine Konkurrenten vor allem an Admins und Entwickler richtet.
Beim Aufbau von Testumgebungen hat Windows 8 Hyper-V gegenüber Virtual PC den entscheidenden Vorteil, dass er mit seinem Pendant auf dem Server kompatibel ist. Das betrifft sowohl die virtuelle Hardware, die Integrationsdienste und die Netzwerkkonfiguration als auch die Formate für virtuelle Datenträger (inklusive VHDX). Zwar unterstützte Virtual PC ebenfalls VHD, aber dennoch ließ sich keine VM unmodifiziert auf einen Hyper-V Server migrieren.
Aber hier zeigt VMware, dass man keineswegs einen Typ-1-Hypervisor vom Server auf den Client portieren muss, um eine solche Kompatibilität zu erreichen. Die Workstation kann virtuelle Maschinen ebenfalls problemlos mit ESXi austauschen.
Hyper-V noch im Hintertreffen
Sieht man sich die folgende Vergleichstabelle genauer an, dann fällt auf, dass Windows 8 Hyper-V nicht nur beim Benutzerkomfort gegenüber der Typ-2-Konkurrenz zurückliegt. Die größten zusätzlichen Mankos bestehen im eingeschränkten Zugriff der Gäste auf USB-Geräte des Hosts, in den relativ hohen Systemvoraussetzungen in Form einer SLAT-fähigen CPU oder dem fehlenden OVF-Import.
In Lab-Umgebungen wird die Unterstützung für verschachtelte Virtualisierung benötigt, wenn man eine ganze virtuelle Umgebung auf einem Rechner installieren und testen möchte. Die dafür nötige Virtualisierung von VT-x und AMD-V bietet derzeit nur VMware.
Wenige Gründe für den Wechsel
Aufgrund seiner Fähigkeiten bietet Windows 8 Hyper-V nur wenige Gründe, um eine vorhandene VMware Workstation oder VirtualBox auszumustern. Dazu zählen am ehesten die Kompatibilität mit Hyper-V Server und einige exklusive Funktionen wie Live Storage Move oder der umfangreiche Support für PowerShell.
Das wichtigste Motiv könnte ganz einfach darin bestehen, dass Hyper-V schon im Betriebssystem enthalten ist und damit die zusätzlichen Kosten für ein Produkt wie die VMware Workstation entfallen.
Windows 8 Hyper-V | VMware Workstation 9 | VirtualBox 4.2. | |
---|---|---|---|
Typ | Bare Metal (Typ 1) | Hosted (Typ 2) | Hosted (Typ 2) |
CPU-Voraussetzungen | 64-Bit-CPU mit Second Level Address Translation (SLAT) | 64-Bit-CPU, Intel VT-x oder AMD-V für 64-Bit-Gäste | 64-Bit-CPU, Intel VT-x oder AMD-V für 64-Bit-Gäste |
vCPU pro VM | 64 | 8 | 128 |
RAM pro VM | 1TB | 64GB | 1TB |
vNICs pro VM | 12 | 10 | 36 |
Gast-Zugriff auf USB-Geräte | sehr eingeschränkt | ja (inkl. USB 3.0) | ja |
UEFI-Emulation | nein | ja | ja |
Memory Overcommit | Dynamic Memory | Page Sharing, Ballooning | Memory Ballooning über Kommandozeile |
Verschachtelte Virtualisierung (Nested Virtualization) | nein | ja (u.a. ESXi, Hyper-V) | nein |
Virtuelle Netzwerke | Extern, Intern, Privat | NAT, Bridged, Host-only, Custom | NAT, Bridged, Intern, Host-only |
Zuordnung von vNICs zu VLANs | ja | nein | nein |
Scripting | PowerShell | VXI/vmrun | VBoxManage, VBoxTool (Linux-Hosts) |
Unterstützte Host-Betriebssysteme | Feature von Windows 8 x64 Pro und Enterprise | Windows, Linux (VMware Fusion als eigenes Produkt für Mac OS) | Windows, Linux, Mac OS X, Solaris |
Unterstützte Gäste | Windows, CentOS, Redhat, SuSE | Windows, Linux, FreeBSD, Mac OS X, Netware, Solaris (vollständige Liste) | Windows, Linux, Solaris, Mac OS X, OS/2 (vollständige Liste) |
64-Bit-Gäste | ja | ja | ja |
Formate für virt. Laufwerke | VHD, VHDX | VMDK, VHD | VHD, VMDK, VDI, HDD (Parallels), QED (Qemu), QCOW (Qemu) |
OVF-Import von Virtual Appliances | nein | ja | ja |
Import physikalischer Systeme (P2V) | über separate Tools | ja | manueller Prozess |
Support für XP-Modus | nicht zutreffend, da kein XP-Modus in Windows 8 | ja (nur Windows 7) | manueller Import der VHD in neue VM (nur Windows 7) |
Migration von VMs | Cold Migration von/zu Hyper-V Server | Cold Migration von/zu ESXi und vCenter, HTTP-Streaming zu VMware Workstation | Live-Migration zwischen Virtualbox-Hosts |
Live Storage Migration | ja | nein | nein |
Snapshots | ja | ja | ja |
Online Snapshot Merging | ja | ja | ja |
Full Clones | Über Live Storage Move | ja | ja |
Linked Clones | nein | ja (Anleitung) | ja (Anleitung) |
Fernzugriff | RDP | VNC, VM-Sharing | RDP |
VMs ohne GUI starten (Headless Mode) | ja | ja (über Kommandozeile) | ja (über Kommandozeile) |
Copy & Paste zwischen VMs und Host | über RDP-Client | ja | ja |
Shared Folder | über RDP-Client | ja | ja |
Drag & Drop zwischen Host und Gast | nein | ja | experimentell, nur für Linux-Gäste |
Stufenloses Verkleinern und Vergrößern des Gastfensters | über RDP 8.0 | ja | ja |
Nahtlose Integration von VM-Anwendungen in den Host | manuell über RemoteApp | ja | ja |
Video-Mitschnitt der VM-Session | nein | ja | nein (VBoxHeadless -c funktioniert mangels Capture-Extension nicht mehr) |
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2 Kommentare
vielen dank für diesen vergleich. hab den artikel nur überflogen, weiß deshalb also nicht, welche der folgenden gründe für mich, nicht auf hyper-v umzusteigen, behandelt wurden:
- linux als gast wird nicht oder zumindest nicht vollständig unterstützt (ist ja aufgelistet)
- ich kann zwar den vmware player bzw. die workstation parallel zur virtual box installieren, betreiben nicht, ist auch nicht nötig. habe ich allerdings das hyper-v feature aktiv, kann ich im vmware player keinerlei maschinen mehr starten. wie es sich mit der virtualbox verhält, hab ich nicht getestet. gibt hier wohl auch ein paar workarounds im bezug auf modifizierung des bootmanagers, inwiefern diese allerdings für windows 8 anwendbar sind, weiß ich nicht und wollte ich einem frisch installierten system auch nicht antun. evtl. kann man hier noch mal nen artikel bringen?
Guter Vergleich. Die Idee eines in Windows 8 integrierten Hyper-V fand ich ja wirklich sehr charmant. Aber an der Umsetzung und dem praktischen Nutzen hapert es. Ich bin nach kurzer Testerei wieder zu Virtual Box zurück, weil das einfach flexibler ist, und inzwischen auch vom Funktionsumfang her alles Wichtige beherrscht.