Tags: Desktop-Virtualisierung, XenApp, Citrix, 64-Bit
Die Markting-Strategie von Citrix ist ganz auf die Desktop-Virtualisierung ausgerichtet, im Vergleich zur schönen neuen VDI-Welt wirkt sein nach wie vor wichtigstes Produkt XenApp (ehemals "Presentation Server") altbacken. Nun bringt die Version 6 (Codename "Parra") einige wesentliche Neuerungen. Die Fragen nach der Zukunft des Veteranen bleiben aber.
Die wesentliche Neuerung von XenApp 6 besteht darin, dass es die Version für Windows Server 2008 R2 ist. Das Citrix-Blog wirbt mit dem zweifelhaften Vorzug, dass es sich dabei um eine von Grund auf neu geschriebene Software für die x64-Plattform handle. Windows Server 2008 R2 liegt bekanntlich nur mehr in einer 64-Bit-Ausführung vor, XenApp ist die passende Ergänzung zu den darin integrierten Terminaldiensten.
XenApp 6 erzwingt Umstieg auf 64 Bit
Der größte Vorteil der leistungsfähigeren 64-Bit-Software liegt vor allem darin, dass sie eine höhere Benutzerdichte auf einem Server erlaubt. Gleichzeitig stellt sich mit der Migration auf 64-Bit aber das Kompatibilitätsproblem für ältere Anwendungen. XenApp 6 ist daher mehr als ein gewöhnliches Update und erfordert ein ausgiebiges Testen aller bereits auf dieser Plattform eingesetzten Applikationen.
XenApp 6 bietet zusätzlich folgende neue Funktionen (einen detaillierten Vergleich mit den Vorgängerversionen bietet dieses PDF-Dokument):
- Eine neue Management-Konsole namens AppCenter, aus der alle Anwendungen zentral verwaltet werden können.
- Ein Rollen-basietes Setup, Management über Group Policies, Unterstützung für Powershell 2.0
- Zusätzliche Applikationen über HDX (ein Marketing-Begriff für diverse ICA-basierte Mechanismen): HDX Realtime verbessert die Übertragung von Audios und unterstützt nun VoIP über den Microsoft Office Communicator, das Frontend für den Unified Communcations Server.
- Mehr Client-seitige USB-Geräte, darunter Webcams, Scanner, Digitalkameras, Kassensysteme (POS)
- Integration von Dazzle, mit denen sich die Benutzer ihre eigene Startseite für Enterprise-Anwendungen zusammenstellen können.
- Integration mit Microsoft App-V, so dass damit virtualisierte Anwendungen direkt aus XenApp publiziert werden können. Die Client-Komponente von App-V kann zudem als Plugin für den Citrix Receiver verteilt und verwaltet werden und App-V-Packages lassen sich über Dazzle abonnieren.
Die Generalüberholung von XenApp bekräftigt die wiederholten Bekenntnisse von Citrix zu seinem Hauptprodukt und unterstreicht die Absicht, dieses Modell des Server-Based-Computings auf absehbare Zeit weiterzuführen. Die aktuelle Version wird zudem viele bestehende Anwender darin bestärken, dass diese bewährte Form der Bereitstellung von Anwendungen weitgehend abdeckt, was Desktop-Virtualisierung (VDI) verspricht. Da sich alle Benutzer auf einem Server ein Betriebssystem teilen, lässt sich aber die Hardware effizienter nutzen als bei VDI, die jedem User ein eigenes Client-Betriebssystem gewährt.
Citrix sieht seine Zukunft in der Desktop-Virtualisierung
Dennoch ist Citrix klar, dass der Trend in Richtung Desktop-Virtualisierung geht. Das Unternehmen agiert deshalb als vehementer Fürsprecher dieses Modells, obwohl es dort mit VMware, Microsoft/Quest und zukünftig Red Hat starke Konkurrenz hat - während es beim Presentation Server über Jahre ein De-facto-Monopol genoss.
Bestünde eine Aussicht, mit dem herkömmlichen Server Based Computing (SBC) gegen VDI bestehen zu können, würde Citrix Letzteres kaum so forcieren, wo doch dort aufgrund des Wettbewerbs die Margen erheblich geringer sind. Das zeigt sich in den Lizenzpreisen, die für XenDesktop deutlich unter jenen für XenApp liegen. Citrix geht wie die meisten Analysten aber davon aus, dass der VDI-Markt um ein Vielfaches größer sein wird als jener für traditionelles SBC, so dass ein kleinerer Anteil dort für Citrix mehr Wachstumsmöglichkeiten bietet als das bisherige Quasi-Monopol in einer Nische.
Der neue Geschäftsführer von Citrix Deutschland, Jens Lübben, bestätigte kürzlich auf einer Presseveranstaltung die strategische Ausrichtung auf VDI und vermeldete als Erfolg, dass im letzten Geschäftsjahr bereits zwischen 18 und 20% der Umsätze mit XenDesktop erwirtschaftet wurden.
Konvertierung von XenApp-Kunden zu XenDesktop
Der Hersteller baut dieses Geschäft nicht nur parallel zu den bestehenden SBC-Umsätzen auf, sondern versucht seine installierte XenApp-Basis aktiv in Richtung XenDesktop zu konvertieren. Das dafür eingerichtete Trade-up-Programm bietet den Umtausch von XenApp- zu XenDesktop-Lizenzen im Verhältnis von 1:2 an. Allerdings versucht Citrix mit dem Umstieg zu VDI von konkurrierenden Lizenzen wegzukommen und stattdessen eine User- oder geräteabhängige Lizenzierung zu etablieren.
Im VDI-Konzept von Citrix hat XenApp nicht ausgedient, sondern übernimmt die Aufgabe, Anwendungen an virtuelle Desktops auszuliefern. Er leistet damit seinen Beitrag zum modularen Desktop, der idealerweise für alle Benutzer ein gemeinsames Basis-Image anbietet, das erst zur Laufzeit mit Anwendungen und benutzerspezifischen Daten versorgt wird. Die in den größeren Editionen von XenDesktop enthaltenen Lizenzen von XenApp beschränken sich nur auf dieses Benutzungsszenario und decken Fat Clients nicht ab.
Applikations-Virtualisierung als Alternative zu SBC
Das klassische Publizieren von Anwendungen, die auf dem Server ablaufen, hat in letzten Jahren Konkurrenz durch die Applikations-Virtualisierung bekommen. Die dort eingesetzte Streaming-Technik kann ebenfalls Anwendungen an den Desktop bringen, ohne dass sie dort fest installiert werden müssen. Im Gegensatz zum Presentation-Server ist dieser Ansatz offline-fähig und sorgt für ein besseres Benutzererlebnis, weil die Programme lokal ausgeführt werden.
XenApp unterstützt seit der Version 4.5 ebenfalls die Applikations-Virtualisierung inklusive Streaming, so dass die Benutzer zwischen zwei Modi zur Bereitstellung von Anwendungen wählen können. Aufgrund der Verbreitung von XenApp ist es aufgrund dieses integrierten Features einer Umfrage von Brainforce zufolge hierzulande Marktführer bei der Anwendungs-Virtualisierung.
Vortritt für App-V?
Andererseits demonstriert die Feature-Matrix von Virtuall, dass XenApp bei der Anwendungs-Virtualisierung im Vergleich zu den spezialisierten Produkten eher mager ausgestattet ist. Daher überrascht bei der Vorstellung von XenApp 6, dass dort keine Verbesserungen bei der Applikations-Virtualisierung angekündigt werden. Stattdessen integriert Citrix nun App-V, das sich somit als Alternative zu den eingebauten Funktionen nutzen lässt.
Über die strategischen Hintergründe für dieses Vorgehen lässt sich aufgrund des speziellen Verhältnisses zwischen Citrix und Microsoft nur spekulieren. Tatsache ist aber, dass eine aggressive Weiterentwicklung der XenApp-eigenen App-Virtualisierung Microsofts App-V als Lockmittel für eine Software Assurance entwerten würde.
Täglich Know-how für IT-Pros mit unserem Newsletter
Ähnliche Beiträge
Weitere Links
4 Kommentare
Ein Artikel eines nicht wirklich Kundigen.
"Die wesentliche Neuerung von XenApp 6 besteht darin, dass es die Version für Windows Server 2008 R2 ist." ist einmal beinahe korrekt. Beinahe, denn zeitgleich wird es den selben Featurestand auch für XenApp 4.5 und XenApp 5 geben. Damit steht das Produkt auf allen drei Serverbetriebssystemen zur Verfügung.
Gut, weiter im Text. Ich bin etwas zu faul, das komplett durchzuarbeiten, aber da stellt es mir doch die Haare auf: "Daher überrascht bei der Vorstellung von XenApp 6, dass dort keine Verbesserungen bei der Applikations-Virtualisierung angekündigt werden." Wenn ich das salopp beantworten darf: das ist schlicht Humbug. Streaming wird jetzt auch Dienste streamen können. Im Prinzip war das die größte Einschränkung bisher, die ist jetzt weg. Die Notes iWeb Funktion streamt bereits mit dem Beta hervorragend. So nebenbei hat Citrix auch das Format der Pakete verändert und erneuert. Und anderes mehr. Als Quelle für (möglicher Weise interessierte) könnte ich Joe Nord's Blog vorschlagen: http://community.citrix.com/blogs/citrite/josephno (Joe ist der Leiter des Entwicklerteams). Oder meines: jacb.blog.com
Sehr geehrter Herr Norz, bevor Sie solche Kommentare veröffentlichen, sollten Sie überprüfen, ob Sie im Ton und in der Sache richtig liegen.
>Ich bin etwas zu faul, das komplett durchzuarbeiten
Genau hier liegt das Problem: Wenn man schon glaubt, Anderen auf derart überhebliche Weise die Kompetenz absprechen zu müssen, dann sollte man zumindest den Text sorgfältig lesen und sich vergewissern, dass man ihn verstanden hat.
Auch egal, Herr Sommergut. Überheblich war mein Beitrag vielleicht, aber er war nicht so gemeint, und ich entschuldige mich dafür. Trotzdem sollten Sie meine Quellen studieren, um die Sache beurteilen zu können. Und danach Ihren Bericht danach etwas umarbeiten. Es wäre kein Fehler. Denn die Aussage, dass Streaming nicht weiter entwickelt wurde, ist zum Beispiel schlicht eine falsche.
Ich war nicht zu faul, zu lesen, ich habe mit Interesse gelesen. Ich war nur zu faul, alle Ungenauigkeiten aufzuzeigen. Vielleicht hätte ich auch schreiben können: zu beschäftigt. Ich habe exemplarisch einen Fehler und eine Ungenauigkeit aufgezeigt. Das sollte doch fürs Erste genügen ;)
Ich sehe die Marktentwicklung übrigens etwas anders als Sie: Ich glaube, dass Anwendungsvirtualisierung, wie sie XenApp bietet, weiterhin ihren Stellenwert am Markt haben wird. Sie selbst nennen ja auch Gründe dafür: Kosten, bessere Ressourcenauslastung. Dazu kommt noch, dass XenApp extrem einfach administrierbar und sehr robust ist. Darüber brauchen wir aber nicht zu streiten, in 5 Jahren wissen wir, wer Recht hatte.
Auch Citrix hält XenApp durchaus nicht für Tot. Es wird weitere Versionen, erstmals seit Langem auch mit deutlich veränderter Architektur, geben. Daran wird momentan gearbeitet. Es war nur ganz einfach nötig, eine Version für 2008 R2 auf den Markt zu bringen, denn es gibt einige Konzerne und Behörden, die Server 2008 nicht in ihren Rechenzentren sehen wollen und 2003 durch 2008 R2 ablösen wollen.
Fangen wir mit dem Aspekt an, bei dem wir uns offensichtlich einig sind: Ich bin ebenfalls wie Sie und die meisten Marktbeobachter der Meinung, dass die Anwendungsvirtualisierung Zukunft hat. Eben deshalb widmet sich der letzte Anschnitt meines Textes der Frage, warum Citrix dann App-V forciert und die von Ihnen angesprochenen Verbesserungen beim Streaming (danke für den Hinweis) in der Ankündigung nicht einmal erwähnt. Ich habe angedeutet, dass dies möglicherweise am speziellen Verhältnis zu Microsoft liegen könnte.
Auf die verschiedenen Ankündigungen von XenApp 6 durch Citrix (auch in den englischen Quellen) bezog sich übrigens meine Aussage:
>überrascht bei der Vorstellung von XenApp 6, dass dort keine Verbesserungen bei der Applikations-Virtualisierung angekündigt werden
Das ist was anderes als die Behauptung, es gäbe keine Verbesserungen. Wenn man jemanden unbedingt einen Fehler nachweisen will, muss man genau lesen, was er geschrieben hat.
Aber immerhin befinden wir uns auf dem Weg zu einer zivilisierten Diskussion ;-) Ich freue mich auf Ihre konstruktiven und sachlichen Beiträge auf WindowsPro.